Langsam, langsam, nicht so schnell! by Doris Knecht

Langsam, langsam, nicht so schnell! by Doris Knecht

Autor:Doris Knecht [Knecht, Doris]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Czernin Verlags GmbH, Wien
veröffentlicht: 2016-08-29T00:00:00+00:00


So eine Sensation ist das nun auch wieder nicht

Damals hat mir Haemmerli, glaube ich, immer gesagt, ich solle doch jetzt schön langsam wieder etwas cooler werden, trotz meiner Babys. Eh toll, das alles. Er freue sich eh sehr für mich. Er glaube das schon, dass das eine interessante Sache sei, die Elternwerdung. Er verstehe das schon …, dass man das süß finde, so ein Baby, und dass einen das beschäftige, jedenfalls eine Zeitlang. Aber, sagte Haemmerli. Bisschen mehr Gelassenheit, man sei ja nun nicht die Erste, die Nachwuchs in die Welt gesetzt habe, so eine Sensation sei das nun im Weltganzen bewiesenermaßen nicht. Er hat mir, glaube ich, in der Hummer-Bar in Zürich einen langen und eindringlichen Vortrag darüber gehalten, dass das so nicht weitergehe mit mir. Dass ich mich allmählich wieder daran erinnern müsse, dass ich einmal keine Mutter gewesen sei, sondern eine smarte, junge Autorin. Es gehe irgendwie nicht, hatte Haemmerli gepredigt, dass nun auf einmal plötzlich meine Kinder das Zentrum meines Fokus besetzten, da müsse wieder das Schreiben hin, Literatur, Politik und Kunst, ganz viel Kunst.

Ich glaube, ich habe Hummer gegessen und genickt. Ich glaube, die Kinder waren damals fünf Monate oder so. Es ist sehr schwierig, fünf Monate alte Zwillinge aus dem Fokuszentrum zu rücken, wenn man ihre Mutter ist. Ich habe damals wohl versucht, Haemmerli das zu erklären, war aber, glaube ich, zu erschöpft, um eine Formulierung zu finden, die über lasche Selbstverteidigung hinausreichte. Ich glaube, Haemmerli sagte, ich müsse viel öfter raus, viel öfter ohne die Kinder sein, um intellektuell nicht völlig zu verkümmern, um vor lauter Babywahn und Elternstolz nicht ganz den Anschluss an die Realität zu verlieren. Ich müsse, das sagte Haemmerli glaube ich, dringend lernen, meine Gluckengefühle und den Drang, Fotos der Baby-Mimis herumzuzeigen, entschieden besser zu kontrollieren. Eh seien sie süß, und er glaube auch, dass ihre Versorgung aufwendig sei, sagte Haemmerli, aber es sei alles eine Frage von Wille und Organisation.

Das sagte Haemmerli, so oder so ähnlich, er hat mir das gerade schriftlich bestätigt, er habe das nämlich »der ganzen Welt geraten, was heißt geraten, verordnet«. Und ich habe mich jetzt nur daran erinnert, weil mich Haemmerli kürzlich auf Facebook eingeladen hat, die Seite »Junior Haemmerli« mit »Gefällt mir« zu markieren. Das habe ich natürlich gemacht und werde jetzt gut versorgt mit den jeweils neuesten und witzigsten Fotos von Haemmerlis drei Monate altem Sohn. Er ist wie alle Babys sehr süß, der kleine Haemmerli. Und er steht, wie die meisten drei Monate alten Menschen, meistens vor vier Uhr früh auf.

Haemmerli klingt am Skype mitunter etwas erschöpft jetzt, aber er gibt sich redlich Mühe, den Anschluss an die Realität nicht zu verlieren und intellektuell und politisch nicht zu verkümmern, aber das Baby sei halt schon großartig. Wahnsinn, eigentlich. Es ist jeden Moment damit zu rechnen, dass Haemmerli eine Väterkolumne beginnt. Mir schwillt das Herz vor Freude.



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